„Gut für dich, gut für andere“: Grenzen spüren und wahren

Grenzen – ein Wort, das für viele unbequem klingt. In unserer Kultur stehen Grenzen oft im Widerspruch zu dem Wunsch, flexibel, hilfsbereit und stets verfügbar zu sein. In unserem Kopf erscheint bei dem Begriff oft ein Bild von dicken Mauern oder hohen Stacheldrahtzäunen. Doch Grenzen sind etwas Urmenschliches, eine Schutzschicht, die nicht gesetzt werden muss, sondern die jede Person bereits hat.

Schützende Grenzen sind lebensnotwendig

Weil schützende Grenzen so wichtig sind, haben wir unzählige davon: Haut, Nerven, Knochen, Organe, Komfortzone, Schamgrenze, persönliche Leistungs- und Belastungsgrenze, kognitive und emotionale Grenzen etc. Sie alle sind flexibel und formen sich auf Basis unserer Bedürfnisse, Glauben, Prägungen, Moral, Werte, Traumata und Erfahrungen. Sie alle machen uns zu den Menschen, die wir sind.

Ein definiertes Gegenüber mit einer sichtbaren und spürbaren Außenhülle und vielen verschiedenen Schutzschichten in uns drin und um uns herum, die alle zusammen eine Aufgabe haben: uns am Leben zu erhalten und zu beschützen. ~Nora Imlau~

Wenn wir diese Grenzen ignorieren, senden wir das Signal, dass unsere Bedürfnisse nicht zählen und wir es nicht wert sind auf sie zu achten. Das ist ein gefährlicher Nährboden für Stress und Erschöpfung. Grenzen zu wahren, bedeutet daher, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und für das eigene Wohl einzustehen.

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Bedürfnisse als Kompass für Grenzen

Um Grenzen klar zu erkennen, ist es wichtig, sich zuerst über die eigenen Bedürfnisse bewusst zu werden. Bedürfnisse sind unsere Wegweiser: Sie zeigen uns, was uns stärkt und erfüllt. Es geht nicht darum, egoistisch zu sein, sondern um gesunde Selbstfürsorge. Wer seine Grenzen klar definiert, signalisiert sich selbst und anderen: „Ich bin wichtig, und meine Bedürfnisse verdienen Respekt.“ Nur wenn wir unsere eigenen Bedürfnisse ernst nehmen, können wir wirklich für andere da sein – ohne uns selbst dabei zu verlieren.

Doch wie finde ich heraus, was meine Bedürfnisse sind?

Dabei sind Bedürfnisse immer:

  • Luft zum Atmen
  • Licht und Wärme
  • Nahrung
  • Schlaf und Entspannung
  • Berührung und Stimulation
  • Bewegung
  • Schmerzfreiheit und körperliches Wohlbefinden

 

  • Liebe und Fürsorge
  • Nähe und Rückversicherung
  • Autonomie und Selbstwirksamkeit
  • Halt und Begrenzung
  • Emotionale Sicherheit und Geborgenheit
  • Zugehörigkeit und Verbundenheit
  • Freude und Leichtigkeit
  • Respekt und Gesehenwerden
  • Wertschätzung und Würdigung
  • Ruhe und Rückzug
  • Kreativität und Selbstausdruck
  • Sinn und Kongruenz

 

Unsere persönlichen Grenzen zu spüren und zu wahren schützt uns und stärkt unser Selbstwertgefühl, denn mit jeder Grenzziehung zeigen wir unserem Gegenüber und vor allem auch uns selbst, dass wir es Wert sind auf uns und unsere Bedürfnisse zu achten.

Spüre, dass die Grenze naht

Um die Grenze zu wahren, müssen wir spüren, dass sie naht.
Mach dir am besten eine Liste, woran du erkennst, dass du bald an eine Grenze stößt.

Darauf könnte nach Imlau zum beispielsweise stehen:

An Grenzen zu stoßen ist für uns und für andere unangenehm. Um die eigenen Grenzen zu wahren, schlägt Imlau deshalb ein „NEIN mit Schleife“ vor. Eine Grenze der zugewandten Verbundenheit, die die Grenze nicht aufhebt, aber leichter erträglich macht.

Zum Beispiel:
„Nein, ich kann dir leider nicht diese Aufgabe abnehmen, aber ich könnte dir meine Unterlagen dazu schicken, dann fällt es dir leichter.“
Oder
„Nein, ich kann dir gerade nicht helfen, aber wenn ich vom Sport komme, habe ich genug Energie, sodass wir gemeinsam schneller sind.“

Selbstfürsorge als Basis für starke Grenzen

Grenzen und Selbstfürsorge gehen Hand in Hand. Wer für sich selbst sorgt, schützt sich vor Überforderung und Stress. Es geht nicht darum einfach häufiger Entspannungsübungen durchzuführen, sondern es geht darum, sich selbst die gleiche Fürsorge und Nachsicht entgegenzubringen wie den Menschen, die wir lieben. Das beginnt mit der Annahme, dass wir alle gleichwertig sind und unsere Bedürfnisse genauso schwer wiegen, wie die der anderen. Natürlich ist das im alltäglichen Miteinander nicht immer umsetzbar, aber was machbar ist, sich in Situationen der Grenzüberschreitung verständnisvoll und mit aller Freundlichkeit zu fragen: Was genau setzt mir gerade so zu? Und was kann ich mir gerade Gutes tun? Und das dann zu tun.

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