Schlechter Schlaf, Kopfschmerzen, das Gefühl immer am Limit zu sein und sich selbst dabei zu verlieren. Gleichzeitig aber Spaß an der Arbeit haben, obwohl sich ein immer größeres Gefühl von „Es ist zu viel.“ einschleicht. Und das über viele Jahre hinweg.
Das Hamsterrad dreht sich immer weiter
Bert te Wildt und Timo Schiele treffen in ihrer psychosomatischen Klinik Kloster Dießen am Ammersee immer häufiger auf Menschen, die ihre Situation genau so beschreiben. Ein akuter Zusammenbruch findet allerdings nicht statt. Das Hamsterrad der Patient*innen dreht sich immer weiter: Sie funktionieren, können aber eigentlich trotzdem nicht mehr. Die beiden beschreiben ein neues Syndrom: Burn On. Diese neuartige Form der chronischen Erschöpfungs-Depression ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen, doch wird gegenüber dem allseits bekannten Burn Out noch kaum wahrgenommen.
Was ein Burn Out ist, wissen wir. Was ist der Unterschied?
Im Gegensatz zum Burn Out scheinen Betroffene zu ihrem eigenen Nachteil „immer weiter zu brennen.“ Über Jahre hinweg versinken sie in Getriebenheit und Selbstentfremdung.
Im Burn On vereinen sich höchste Leistungsbereitschaft und eine ultimative Erschöpfung!
Die Betroffenen bewältigen alle Aufgaben (beruflich & privat) im „funktionieren“- Modus. Sie bewahren eine positive Grundhaltung und nach außen den Anschein, dass alles super sei. Doch innerlich stehen sie unter hoher Anspannung. Trotz des hohen Leidensdrucks kommt es nicht zum Zusammenbruch, wohl aber zu gravierenden seelischen und körperlichen Folgen.
Burn Out
Plötzlich geht gar nichts mehr!
-> Akute Erschöpfungsdepression
Burn On
Das Hamsterrad dreht sich immer weiter!
-> Chronische Erschöpfungsdepression
Ein schleichender Prozess
Die Symptome zeigen sich körperlich mit Verspannung, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und koronaren Beschwerden. Verzweiflung, Sinnlosigkeit und Perspektivlosigkeit nehmen zu und Begeisterungsfähigkeit und Lebensfreude dafür ab. Es schleicht sich eine Unzufriedenheit ein und die persönlichen Ziele und Werte fühlen sich plötzlich sehr weit weg an. Sie brennen von innen aus, was zum Namen Burn On geführt hat.
Weitermachen, obwohl man nicht mehr kann, ist wie Hyperaktivität mit gleichzeitiger Lähmung.
Eine Welt, die immer schneller und komplexer wird
Die Ursache ist wie so oft ein Zusammenspiel aus verschiedenen Faktoren. Betroffen sind vor allem Personen mit einem Hang zur Perfektion, die hohe Leistungsanforderungen an sich stellen und eine geringe Akzeptanz für die eigenen Grenzen und Bedürfnisse haben.
Wir leben in einer immer schneller werdenden Welt mit hohem Leistungsdruck, die ein hohes Selbstmanagement erfordert. Da kann man schnell an die eigenen Grenzen geraten und ein Gefühl von „zu viel“ entsteht.
Auch die Veränderungen der Arbeitswelt spielen eine Rolle. Hier werden vor allem mangelnde Wertschätzung, wenig Möglichkeiten zur Einflussnahme bei Entscheidungsprozessen und eine immer größere Leistungskultur als Ursachen beschrieben.
Wichtig ist, dass nicht ein Faktor zum Burn On führt, sondern es immer eine Häufung aus verschiedenen ist. Eine große Rolle spielt dabei auch die Digitalisierung.
Einfluss der digitalen Medien
Vor allem durch die Corona-Zeit & Home-Office gibt es ein immer größeres Verschwimmen von Beruflichem und Privatem. Wer die Grenze selbst nicht gut ziehen kann, kommt schnell in eine Überlastung. Ständige Erreichbarkeit führt dazu, dass die mentale Distanzierung von der Arbeit immer schwerer fällt. Jeder kleine Moment des Nichts-machens wird mit einem Blick aufs Smartphone gefüllt und das Stresslevel steigt immer weiter an. Die zunehmende Nutzung der Medien lässt uns schneller, effektiver und strukturierter arbeiten und in ein Hamsterrad ohne Pausen geraten. Die Verbindung zu dem eigenen Körper und den eigenen Emotionen geht so immer mehr verloren und die körperlichen und emotionalen Bedürfnisse werden nicht wahrgenommen.
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Wie können wir selbst uns davor schützen, einen Burn On zu erleiden?
Wichtig ist es, Geschwindigkeit und Fülle im Tag zu drosseln. Entschleunigung ist ein wichtiger Punkt – und zwar nicht, um wieder Kraft zu sammeln, um weiter für die Arbeit rotieren zu können, sondern um wirklich zu regenerieren und um auf die eigenen Bedürfnisse zu achten.
Regelmäßige Pausen lassen das Stresslevel erst gar nicht so hoch steigen. Etabliere eine selbstbestimmte Mediennutzung und Zeiten ohne Smartphone. Ein Feierabendritual hilft, den Arbeitstag bewusst zu beenden und so auch mental abzuschalten. Ausreichend Schlaf ist ein wichtiger Faktor.
Beherrscht dich die Arbeit? Dient die Freizeit nur noch dazu, später weiter zu „funktionieren“? Kannst du sie noch genießen? Solche Fragen können Betroffenen helfen, einen Burn On bei sich zu erkennen und sind die Basis der Strategien zur Vorbeugung und Behandlung.
Eine Erschöpfungsdepression muss nicht alleine bewältigt werden. Professionelle Hilfe in Form von ärztlicher Beratung, betrieblichen Unterstützungsangeboten oder online-Angeboten hilft im Akutfall. Dort gibt es Mittel und Wege, festgefahrene Verhaltensmuster zu bearbeiten und sie zum Positiven zu ändern.